EIN SURFER ZUM VERLIEBEN 03 | TEIL 01

Erschrocken zuckte Lindsay zusammen, als sie hörte, wie die Tür ins Schloss fiel. Warden war zurück und sie hatte keine Ahnung, was sie sagen sollte. Hastig spülte sie ihren Mund aus, um den üblen Geschmack des Erbrochenen loszuwerden. Lindsays Herz raste und ihre Knie zitterten. Sie schöpfte mit beiden Händen Wasser und wusch sich rasch das Gesicht.

Ihr Spiegelbild verriet ihr, dass sie entsetzlich aussah. Ihre grauenhafte Erscheinung entsprach exakt ihrem Gefühlsleben, die geschwollenen Augen und die gerötete Nase ließen sich nicht verbergen. Doch wollte sie überhaupt leugnen, wie verletzt sie war? Nein, das konnte sie nicht. Sie atmete tief durch, straffte ihre Schultern und war bereit ihrem untreuen Schweinehund von Ehemann entgegenzutreten. Sie verließ das Badezimmer und ging entschlossen in die Küche hinunter, wo Warden mit dem Rücken zu ihr stand. Lindsay registrierte seine hängenden Schultern und auch wie müde er wirkte, doch es war ihr egal.

Sein Anblick versetzte sie in Rage, sie hatte ihn so geliebt, doch offensichtlich konnte sie sich keine Schwäche erlauben. Scheinbar funktionierte ihre Beziehung nur, wenn sie stark war. Sie hatte ihn in den letzten Monaten gebraucht, doch was hatte er getan? Er hatte ihr das Gefühl gegeben, ungeliebt und unattraktiv zu sein. Sie hatte stets auf ihn und seine Bedürfnisse Rücksicht genommen, doch kaum war sie nicht in der Lage diese zu befriedigen, da begab er sich auf die Suche nach Ersatz. War sie jemals mehr für ihn gewesen als eine einfache Möglichkeit seine überbordende Libido abzuarbeiten? Du bist selbst daran schuld, sagte sie sich, du wusstest wie unersättlich er ist und doch hast du während der Schwangerschaft kaum mit ihm geschlafen, was hast du erwartet? Dass er das einfach so hinnimmt?

Ja!, schrie sie diese Stimme in ihrem Kopf an, die dort nichts zu suchen hatte. Auch wenn ein regelmäßiges und erfülltes Sexleben für ihre Beziehung von Anfang an wichtig gewesen war, so war es dennoch nicht alles gewesen. Sie war seine Freundin und seine Vertraute gewesen – jedenfalls hatte sie sich das in ihrer grenzenlosen Naivität eingebildet.

Ein unterdrückter Schluchzer entrang sich ihrer Kehle und veranlasste Warden dazu, sich umzudrehen. Erschrocken sah er sie an: „Ist was mit Peyton?“

Lindsay wusste, dass er das Baby vergötterte, dennoch brach es ihr in diesem Moment das Herz, dass sein erster Gedanke ihrer Tochter und nicht ihr selbst galt. Sie stand vor ihm und weinte bitterlich, doch das war ihm scheinbar gleichgültig.

„Lindsay, was ist los? Sag doch was!“

„Ich weiß es!“, stieß sie wimmernd hervor. „Ich weiß, was du getan hast!“

Warden schloss die Augen und sie konnte ihm sein schlechtes Gewissen deutlich ansehen. „Es tut mir leid, Lindsay!“, murmelte er niedergeschlagen, doch seine Entschuldigung verhallte ungehört. Er hatte ihr das Herz gebrochen und es gab nichts, was er sagen oder tun konnte, um seinen Verrat wiedergutzumachen. Sie war nicht wie Vera oder Hope. Sie konnte ihm unmöglich verzeihen, dass er sie betrogen hatte. Die Vorstellung daran, wie er es mit einer anderen trieb, noch dazu einer die jünger und schlanker war als sie, war unerträglich. Von wegen ‚er würde sie selbst dann lieben, wenn sie hundertfünfzig Kilo wog‘. Sie hasste, wie die Schwangerschaft ihren Körper verändert hatte, doch dass diese knapp zehn Kilo zu viel ihn derart abstießen, dass er sich direkt eine andere suchte, damit hatte Lindsay nicht gerechnet. Dann fiel ihr mit einem Mal sein sonderbares Verhalten der letzten Wochen ein und ein schrecklicher Verdacht wallte in ihr auf.

„Wie lange geht das schon? Ich meine …“ Sie schluchzte laut auf und hielt sich Halt suchend an der Arbeitsplatte fest. „… wie lange hast du es mir verheimlicht?“ Als er nicht antwortete und stattdessen den Blick senkte, gelang es Lindsay nur mit aller Willenskraft auf den Beinen zu bleiben. Ihre Knie waren weich wie Butter und das nicht, weil sein Anblick ihr Herz höherschlagen ließ und sie in einen Zustand der Euphorie versetzte wie früher. Nein, im Gegenteil, ihn zu sehen war für sie unerträglich. „Wie lange schon, habe ich dich gefragt!“, schrie sie ihn an.

„Seit ein paar Monaten“, räumte er kaum hörbar ein.

Diese Worte waren endgültig zu viel. Lindsay sackte schluchzend auf die Knie. Sie weinte haltlos und obwohl ihr Kummer sich Bahn brach und den Druck von ihrem gebrochenen Herz nehmen sollte, spürte sie keine Erleichterung. Die ganze Situation war völlig surreal und sie konnte nicht fassen, wie furchtbar schief alles gelaufen war. Was war aus ihnen geworden? Wie hatte das passieren können und vor allem, warum hatte sie nicht vorher gemerkt, dass da was im Busch war?

Wardens Hand legte sich auf ihre Schulter. Sie streifte sie ab. Der Surfer hatte sich vor sie gekniet und sah sie besorgt an. „Es tut mir leid, Sonnenschein, aber wir bekommen das wieder hin“, versprach er.

Lindsay lachte fassungslos auf. Wir bekommen es wieder hin? Was bildete er sich eigentlich ein? „Das ist nicht deine Entscheidung, Warden! Wir reden hier nicht von einer Kleinigkeit, du … du hast mich belogen und monatelang betrogen“, schrie sie ihn erneut an.

Er sah zur Seite und presste seine Kiefer aufeinander und erwiderte dann leise: „Ich habe es aus Rücksicht auf dich getan.“

„Du hast was?“, fragte sie und dachte im ersten Augenblick, sie hätte sich verhört.

„Du warst nicht in der Lage, um …“

„Ja! Ich war nicht in der Lage dazu, das mag sein, aber das gibt dir noch lange nicht …“

„Fuck! Aiden hatte recht, als er sagte, du würdest es nicht verstehen“, murmelte Warden. „Ich hätte auf ihn hören sollen und es dir gleich sagen müssen. Es tut mir wirklich leid.“

„Aiden wusste davon?“, fragte Lindsay und obwohl sie es nicht für möglich gehalten hätte, brach ihr Herz ein weiteres Mal. Der Verrat ihres Freundes schmerzte sie beinahe ebenso sehr wie der ihres Mannes. Warden nickte. Lindsay konnte seine schuldbewusste Miene durch den Tränenschleier erkennen. „Wer wusste es noch?“

„Liam und Vera natürlich, denn schließlich …“

„Nein!“, keuchte Lindsay zu geschockt, um etwas anderes zu sagen. Sie rappelte sich hoch und stieß dabei gegen Warden. Er packte sie am Ellbogen und verhinderte, dass sie das Gleichgewicht verlor. Seine Berührung war unerträglich und Lindsay riss sich los.

„Beruhig dich, Lindsay, wir bekommen es wieder hin!“, sagte Warden nachdrücklich und griff erneut nach ihr.

„Fass mich nicht an! Das Recht dazu hast du verwirkt, als du mich die ganze Zeit über zum Narren gehalten hast.“ Sie funkelte ihn zornig an.

„Wie ich sagte, ich habe es getan, um dich zu schonen. Du hast keine Ahnung, wie gerne ich dir die Wahrheit gesagt hätte.“

Lindsay schnaubte freudlos. „Denkst du, das hätte es wirklich besser gemacht? Es geht nicht nur darum, dass du mich belogen hast, Warden, es hätte überhaupt nicht passieren dürfen.“

„Das weiß ich doch auch, aber es war eine Gelegenheit, die ich einfach beim Schopf packen musste …“

Wortwörtlich vermutlich, dachte Lindsay noch, ehe etwas in ihr aussetzte und sie Rot sah. Warden gab einen erschrockenen Laut von sich, als sie ihm eine schallende Ohrfeige verpasste und starrte sie fassungslos an.

„Spinnst du?“

„Ob ich spinne?“, fragte Lindsay. Selbst in ihren Ohren klang ihre Stimme viel zu hoch und total hysterisch. „Du hast doch diese Kacke mit mir abgezogen und erwartest nun, dass nach deiner Beichte, die im Übrigen keine war, alles wieder gut ist. Aber das ist es nicht und das wird es auch nie wieder sein! Wie konntest du das bloß tun?“ Er wollte etwas erwidern, doch Lindsay hatte gar nicht vor, sich die Antwort anzuhören. Sie wischte die Tränen von den Wangen und zischte: „Weißt du was? Es ist mir egal. Es spielt überhaupt keine Rolle. Es ist passiert und du musst mit den Konsequenzen leben.“ Sie rempelte ihn an, als sie an ihm vorbeiging, um nach oben zu laufen. Warden unternahm einen letzten Versuch, indem er sie festhielt, doch sie schlug seine Hand beiseite und zischte warnend: „Untersteh dich!“

Sie kehrte ihm den Rücken zu und lief eilig die Stufen hinauf, um nach ihrer Tochter zu sehen und um dann ihre Koffer zu packen. Keine zehn Pferde hielten sie bei einem Mann, der derart kaltschnäuzig und egoistisch war und sich auch noch einbildete, dass er mit einem solch respektlosen Verhalten durchkam. Mit dem, was er da abgezogen hatte, hatte er ihrer Ehe den Todesstoß versetzt und sie würde ihm nie verzeihen.